“Paradeiser im Himmel” oder Fermentierte Tomaten

Unverblümt staunend starre ich in der Sommerzeit manchmal auf die Gemüsebeete in und um Wien und bin verwundert, wie üppig die Natur sein kann. Die Stauden biegen sich zum Boden, so viele Paradeiser hängen darauf ab. Ich habe gerade für eine Woche beim „Stadtgardening“ Augarten für Bekannte ein Beet betreut, da ist mir das im Gießrhythmus wieder plastisch vor Augen geführt worden. Was ich, obwohl in der Südsteiermark, also auf dem Land aufgewachsen, nach vielen Jahren als Stadtbewohnerin manchmal fast vergesse.

Die Natur ist anders als ein Supermarkt. Man kriegt nicht immer alles gleichzeitig und systematisch verteilt. Kein „Sortiment“ an Jahreszeiten, Gemüsearten und -sorten. Wenn etwas gerade Erntezeit hat, dann gibt es davon einfach unfassbar viel auf einmal. Das ist schön, aber man muss damit auch umgehen können, deshalb und um es richtig gut ausnützen zu können, ist es immer gut, Rezepte zu kennen, die Gemüse natürlich haltbar macht. Und noch besser, wenn es sehr einfach und unaufwendig ist. Also hier und jetzt und mit Fanfare, das Schweizer Messer der Tomatenrezepte: Paradeiser im Himmel!

Fermentiert Tomaten schmecken so unglaublich gut, ich musste das Wörtchen Himmel in den Titel einweben. Die kleinen Paradeiser werden durch das Fermentieren innen ein wenig prickelig, und wenn man draufbeißt, ist es, als würde ein kleines rotes Bömbchen platzen, es gibt eine sprichwörtliche Geschmacksexplosion! Ich glaube ja, dass dieses Wort, also “Geschmacksexplosion” nur für diese Delikatesse erfunden worden ist. Und außerdem: das ideale Rezept für alle, die zum ersten Mal fermentieren, weil es einfach superleicht geht.

Die beste Methode, wenn man im Sommer ganz viele Paradeiser im Garten auf einmal hat, oder seien diese auch „nur“ vom Bauernmarkt oder aus dem Supermarkt. Die fertig fermentierten Tomaten halten sich im Kühlschrank oder in einem kühlen Keller locker bis in den Winter. (Wobei – bei mir haben sie selten länger als eine Woche überlebt. Mampf!) So kann man ohne Chemie und lange Transportwege auch im Winter den Geschmack des Sommers genießen.

Fermentierte Tomaten, Fermentierte Paradeiser

So wird Deine Ernte zum Super-Food:

Zutaten:
500 g Kirschparadeiser
1 l Wasser
30 g Salz (ohne Zusätze wie Jod)
optional: Gewürze (z.B. Knoblauchzehen, Basilikumblätter, frischer Rosmarinzweig…)

Equipment:
1-Liter-Bügelglas oder Rexglas mit Gummidichtung und Klammern (in Deutschland: Weckglas)
1 Gewicht

Zubereitung:
• 
Das Salz darf keine Zusatzstoffe wie Jod oder Fluor enthalten, einfaches Meersalz geht sehr gut.
• Wasser aufkochen, das Salz darin auflösen, auskühlen lassen. Paradeiser von Erde etc. befreien und waschen. Jede Tomate an fünf bis sechs Stellen mit einem Zahnstocher anstechen, in das heiß ausgewaschene Glas legen, zum Schluss die 3%-Salzlake eingießen, alles muss unter der Lake sein. Gewicht so platzieren, dass keine Tomate oben schwimmen kann. Auch keine Gewürze etc. sollen oben schwimmen. Bügelglas verschließen, Rexgläser mit Klammern zuklemmen.
Fünf bis sechs Tage bei Zimmertemperatur fermentieren lassen, dann in den Kühlschrank oder kühlen Keller stellen.

Zusatztipps:
 Keine Angst, wenn die Lake trüb wird, das heisst einfach, dass die Milchsäurebakterien gut arbeiten.
Das Glas immer bis zur Schulter füllen. Am Anfang ist im Glas über dem Ferment noch normale Luft. Mit der Zeit entsteht durch die Milchsäurebakterien Kohlendioxid, in der Luft über dem Ferment wird der Sauerstoff immer knapper. Das ist gut für uns, den umso weniger Sauerstoff im Glas ist, desto schwerer haben es Kahmhefen oder Schimmelpilze zu wachsen.
Vorsicht bei allen Teilchen, die oben schwimmen, das sind potenzielle Gefahrenquellen für Kahmhefe oder Schimmel. Wobei Ersteres, also Kahmhefe, nicht so schlimm ist, falls echt mal der Ausnahmefall eintritt und sich Schimmel bildet, bitte sofort wegschmeißen. (Bei mir hat noch nie ein Ferment geschimmelt, es passiert, wenn man sauber arbeitet, extrem selten.) Wichtig ist es alles unter der Lake zu haben, denn das Gemüse ohne Sauerstoffkontakt ist sicher. Merksatz: “Under the brine is fine!”
Die fermentierten Paradeiser kann man direkt als Snack essen, als Beilage oder in Salaten. Leicht fermentiert (circa eine Woche) nehme ich sie gern als Frühstück zum Butterbrot. Oder stelle sie beim Weintrinken mit Freunden in Schälchen auf den Tisch. Stärker fermentiert (alles über drei Wochen) sind sie genial als Zusatzgewürz in Tomatensaucen, Tomatensuppen oder in einer Pasta asciutta – in Österreich besser bekannt als „Basdaschuda“.
• Wer hat verwendet am besten leicht unterreife Früchte. Damit wirds am knackigsten.

Wie immer habe eine Empfehlung in Form eines Rezepts: Wie gesagt, fermentierte Tomaten machen alle Saucen besser. Probieren Sie sie einfach in einer Lasagne aus: “Fünf Geheimnisse perfekter Lasagne – die richtigen Fermente“.

Fermetierte_Tomaten

________________________________________________________________________________________________

Einladung: zu meiner FB-Seite! Folge mir auf Facebook und verpasse keinen einzigen Artikel.
www.facebook.com/DerNeueGranatapfel/

Fermentier Fragen? Ich habe auf Facebook eine Fermentier Gruppe, dort werden Ideen, Rezepte oder auch Fehlschläge ausgetauscht und es gibt eine Kulturentauschliste (Kefir, Kombucha, Sauerteig) und ich beantworte gerne deine Fragen.  Alle Interessierten sind herzlich eingeladen zum mitmachen oder auch nur mitlesen!
Die Gruppe heißt: Der diskrete Charme des Fermentierens

________________________________________________________________________________________________

Weiterlesen

Joghurt selber machen – eine East Side Story

Das beste Joghurt der Welt kommt aus Bulgarien, laut Sandor Katz. Aber warum Bulgarien und Joghurt? Ich dachte ja immer Türkei. Das hat mich neugierig gemacht, deshalb habe ich ein wenig nachgelesen: Historiker*innen vermuten inzwischen den Ursprung von Joghurt in der Region, wo sich Bulgarien, Griechenland und die Türkei treffen. Es gibt also nicht nur ein Bermuda-Dreieck, sondern auch ein Joghurt-Dreieck. Dort sollen die Protobulgaren als Erste Milch zu Joghurt fermentiert haben. Entdeckt wurde es wahrscheinlich zufällig von nomadisch lebenden Schaf- und Ziegenhirten*innen. Wer dem „richtigen“ Joghurt also auf die Spur kommen möchte, sollte mal ins Joghurt-Dreieck reisen und dann am besten richtig viel Joghurt einpacken (1), denn das ist eines der Geheimnisse von wirklich gutem Joghurt, der richtige Bakterienstamm.

Das betreffende Bakterium heißt übrigens: „Bacillus bulgaricus“. Apropos Bulgarien, in Sophia wurde ein eigenes Institut dafür eingerichtet, nur um die bulgarischen Ur-Bakterienstämme weiterzuzüchten und ihre Reinheit zu bewahren. Möglich, dass die Anfragen sich dort bald häufen: Forscher haben herausgefunden, dass die Bulgaricus-Milchsäure das Fortschreiten von Parkinson verlangsamen kann.

Man kann aber auch ohne die Bulgarischen Ur-Bakterienstämme richtig genial gutes Joghurt zu Hause machen, es ist eigentlich ganz einfach, und wenn man mal einen guten Stamm hat: beschützen, hegen und pflegen, man kann daraus nämlich ewig weiter gutes Joghurt machen, spart sich den Verpackungsmüll von gekauftem, viel Geld, man weiß immer ganz genau, was drinnen ist, und es schmeckt einfach viel, viel besser!
Ich stelle hier eine super einfache Joghurt-selber-machen-Methoden vor:

Zu (1): Ich habe gelesen, dass europäische Migranten im 19. und 20. Jahrhundert, wenn sie in die USA flüchten mussten, also in einer Zeit, wo man noch lange Schiffsreisen antrat und keine Kühltaschen hatte, eine ganz einfache Methode hatten, ihren Joghurtbakterienstamm mitzunehmen. Sie haben ein Tuch flach aufgelegt, das Joghurt darauf verteilt, es trocknen lassen, dann vorsichtig zusammengelegt und konnten es so einfach einpacken. Das hält ewig, wenn man es wieder braucht, kratzt man einfach das getrocknete Joghurt ab. Damit kann man wieder Milch impfen und von Neuem Joghurt machen.

Zu (2): Welches Joghurt? Für das Joghurt am besten in einen Bio Supermarkt gehen, am Bauernmarkt kaufen oder wenn du zufällig in New York wohnst, geh in Yonah Schimmel’s Knish Bakery, aber egal von wo, es muss ein „AKTIVES“ Joghurt sein. Stichwort: Naturjoghurt! Wenn die Milch vorher pasteurisiert wurde, egal, nur „nachher“ nicht, also nicht beim fertigen Joghurt. Klingt kompliziert, ist es aber nicht, im Zweifel einfach nachfragen.

Joghurt – eine East Side Story

Rezept von Ella Josephine EsqueSchwierigkeit: easy

Das beste Joghurt der Welt einfach selber machen!

Zutaten:

  • 1 Liter Milch

  • 1 EL Naturjoghurt, mit aktiven Kulturen (2)

Zubereitung:

  • Milch auf mittlerer Hitze auf 80 bis 85 Grad C erhitzen. Nicht auf die höchste Temperatur stellen, wenn die Milch zu schnell aufkocht, kann das Joghurt später körnig werden. Auf 50 bis 45 Grad abkühlen lassen. Ohne Thermometer: so lange kochen , bis die Milch anfängt, Blasen zu schlagen. Abkühlen: wenn man den Finger reinsteckt, es zwar heiß ist, aber geht, aber nach zwei, drei Sekunden schmerzt.
  • Gläser mit Schraubverschluss vorbereiten (heiß ausspülen). In ein Glas fünf Esslöffel Milch geben und einen Esslöffel Joghurt. Kräftig schütteln. Die Joghurt-Milch-Mischung wieder zur Milch schütten. So wird das Joghurt schön aufgelöst und ich gehe sicher, dass sich die Joghurtbakterien gleichmäßig verteilen. Auf die Gläser aufteilen. Jetzt gibt es mehrere Möglichkeiten:
  • – Backrohr mit Licht
    Kochkiste:
    1. Kühlbox mit 50 Grad warmem Wasser, handbreit gefüllt
    2. Unter die Bettdecke geben oder in einen Tuchent wickeln
    Joghurtmacher
    Sou-Vid
  • Gläser für mindestens sechs Stunden oder über Nacht ins Backrohr (Kühlbox, Joghurtmacher, Kochkiste, Sou-Vid-Bad) stellen.
  • Damit das Joghurt noch schön fest wird, danach für 12 Stunden in den Kühlschrank geben. Nicht vergessen: Ein Glas bzw. einen Esslöffel für die nächste Joghurt-Session aufheben!

Tipps:

  • Ich liebe es, das Joghurt vor dem Essen mit einer Prise Salz cremig zu rühren, dann gebe ich Früchte für Fruchtjoghurt dazu. Oder ich rühre Instantkaffee und Honig unter, für das weltbeste Kaffeejoghurt. Einfach mal ausprobieren. 
Weiterlesen