Pochierte Eier, gefangen zwischen Himmel und Hölle, weiß wie die Unschuld und sanft eingebettet in blutroter Tomatensauce. Ein Gericht wie entsprungen aus Dantes Göttlicher Komödie, Teil II – so viel Dramatik und Poesie in Namen und Geschmack, da denk ich gleich: a.italienische Oper oder b. Essen aus Süditalien (eh die einzige Steigerung, quasi). Dieses Gericht ist mancherorts auch bekannt als Schakshuka.
Genauer kommen die „Uova in Purgatorio“ aus Neapel. Die Region Kampanien ist Geburtsort vieler unglaublich cooler Gerichte. Vielleicht liegt es am spannenden Untergrund zwischen Vesuv und Phlegräischen Feldern, Europas fast wieder aktivem Supervulkan. Die Pizza wurde hier erfunden, der Limoncello sowieso. Die San-Marzano-Tomate wächst wieder hier, und außerdem: Artischocken, Broccoli, Cime di rapa, eine Stängelkohlsorte, die typisch kampanischen Friarielli, ein zart bitteres Blattgemüse, Spargel, Paprika, Auberginen, Zucchini, jede Art von Salat, Kohl et cetera. Campania felix, wie die Italiener*innen sagen. Aber Italien und gutes Essen, das ist ja eh wie Al Bano und Romina Power.
Eier im Fegefeuer haben eine sehr breite Herkunft, um nicht zu sagen: Sie sind ein Mittelmeerprojekt. Schakschuka gilt als israelische Nationalgericht, ist aber auch in der nordafrikanischen Küche sehr verbreitet. Als Schakschuka wird es mit Kreuzkümmel, Kardamom und Zimt gewürzt. Mit Harissa isst man es auf Marokkanisch. In der Türkei existiert etwas Ähnliches als Menemen, und in Spanien als Pisto. In der Südsteiermark kennen wir etwas Verwandtes als Letscho, das wiederum auch ungarische Wurzeln hat. Zeigt sich wieder mal das Prinzip: Wenn was so richtig herrlich gut schmeckt, kommt es aus vielen Ecken. Nicht nur wir in Europa haben mit steter Vermischung diese Art der Fusion befeuert, wir teilen dieses kulinarische Erbe auch mit Nordafrika und dem Mittleren Osten.
Für dieses Gericht gilt die einfache Logik: Paradeisersauce[1] kochen und mit Gewürzen bestimmen, in welches Land rund ums Mittelmeer man seinen Magen auf Urlaub schickt. Diese Reise geht nach nach Italien:
Zutaten:
• 4 TL Olivenöl
• 6 Knoblauchzehen (optional 1- 2 Honigknoblauchzehen)
• 4 Sardellen, grob zerkleinert
• 2 TL Kapern
• Schwarze & grüne Oliven, eine Handvoll, aufgeschnitten
• Rote und gelbe Kirschparadeiser, jeweils eine Handvoll (optional)
• 2 Dosen (San-Marzano) oder etwa 800 g frische Paradeiser
• 2 TL frischer Oregano oder 1 TL getrockneter Oregano
• 40 g Parmesan, gerieben
• 1 Bund Basilikum
• Salz, Pfeffer
• Chili (optional)
Zubereitung:
• Knoblauchzehen (und Honigknoblauchzehen) sanft mit Olivenöl andünsten, Sardellen dazugeben, rühren, bis die Sardellen zerfallen und der Knoblauch duftet. Dann die Oliven, Kapern, Kirschparadeiser, Oregano (und Chili) dazugeben. Puttanesca-Gewürzbasis fertig.
• Wer frische Paradeiser hat, diese grob klein schneiden, Dosenparadeiser einfach so dazuleeren. Mit Salz abschmecken und 10 Minuten köcheln lassen. Basilikum dazugeben, ein paar Blätter zur Dekoration zurückbehalten. Zum Schluss Parmesan unterrühren. Die frischen Paradeiser dauern etwas länger, es soll eine kompakte Sauce werden. Backofen auf 190 Grad vorheizen.
• Ei in einen Schöpfer aufschlagen, mit dem Schöpfer sanft ein Mulde in die Sauce drücken und das Ei reinflutschen lassen. Mit den restlichen drei Eiern wiederholen. Deckel auf die Form geben und für 8 bis 10 Minuten backen, die Dotter sollen noch weich sein.
• Basilikum dekorativ darüber schmeißen. In der Form auf den Tisch stellen und gemeinsam mit Brot daraus tunken.
Tipp: Ich wollte meine Jenaer-Glas-Auflaufform nicht auf die Gasflamme stellen, aber man kann das Ganze auch nur in einer Form machen.
[1] hier alla puttanesca, also auf gut Italienisch: nach Hurenart