Milchkefir – das Joghurt auf Steroiden

Mittlerweile kann man Kefir auch schon im Supermarkt kaufen, aber an selbst gemachten kommt das geschmacklich nicht ran.

Selbst fermentierter Kefir liegt irgendwo zwischen Joghurt, Buttermilch und Frischkäse. Die Konsistenz ist etwas flüssiger als bei Joghurt. Selber gemachter Kefir prickelt und perlt etwas auf der Zunge, zumindest wenn er gut gereift, das liegt daran das er geringen Gehalt  an Alkohol hat und wenn er nachdem er fertig fermentiert hat, in verschlossen Glässern aufbewahrt wird, entwickelt sich eine richte schöne Kohlensäure. Eben genauso wie die Perlen in den Champaner kommen.

Von dieser Besonderheit leicht zu perlen zeugt auch der Name: Kefir ist türkische Lehenwort im Russischen und kommt von dem türkischen Wort „köpürmek“ für „schäumen“. Wobei ander Quellen behaupten es stammt vom türkischen Wort ‘keif’, was so viel bedeutet wie ‘gutes Gefühl’ oder ‚sich gut (gesund) fühlen’.

Für alle die schon mal „Per Anhalter durch die Galaxies“ gelesen haben: ich bin mittlerweile  davon überzeugt, dass Milchkefir der letzte Beweis ist das Gott nicht existiert!

Milchkefir Kefir Freiwillig aufgesprungener Granatapfel
Milchkefir Kefir Freiwillig aufgesprungener Granatapfel

So viel Einfachheit ist ja fast schon unerträglich, deshalb ein wenig zum DRUMHERUM:

Equipment:
Löffel, Sieb und Glas. Man kann Bügelgläser nehmen, oder Gläser mit Schraubverschluss, wurscht. Ich verwende ein Ex-Milchpulverglas mit Plastikdeckel, weil es aus braunem Glas ist. Milchkefir mag es lichtgeschützt. Einmal am Tag öffne ich es um Druck abzulassen. Muss aber nicht sein. Bei fast allen Anleitungen im Internet steht: Kefir darf auf gar keinen Fall mit Metall in Kontakt kommen. Da ich am Anfang kein Plastiksieb hatte (jetzt hab ich eines) habe ich ein Metallsieb verwendet und keinen Nachteil festgestellt.
„Dominic Anfiteatro der „Internet King des Kefirs“ hat sogar ein Experiment gemacht. „Wir haben unseren Kefir monatelang mit Sieben aus rostfreiem Stahl abgeseiht und fanden am Ende keinen Beweis für irgendwelche Beschädigung der Körner oder der Mikroflora““, schreibt Sandor Katz. („Die Kunst des Fermentierens“, S. 258)

Temperatur:
Raum Temperatur ist perfekt für den Kefir. Eigentlich mag er sogar alles zwischen 17 und 25 Grad Celsius. Es gilt: umso niedriger die Temperatur umso langsamer, umso höher die Temperatur umso schneller, geht es. Manchmal im Winter wenn ich ungeduldig werde, stelle ich den Kefir hinten auf meinen Kühlschrank, da ist es wärmer.

Aerobe oder anaerobe?
Es gibt unterschiedliche Arten der Fermentation. Einige brauchen Luft und andere nicht. Die Fermentation beim Milchkefir ist technisch gesehen ein anerober Prozess, aber man muss sich nicht darum kümmern die Knöllchen unter der Flüssig zu halten. Die machen das von selbst.

Fermentierungs Zeit:
Das ist natürlich etwas subjektiv. Die Milch ist fertig wenn sie sichtbar eingedickt ist. Man kann es länger lassen, speziell wenn man es sehr sauer mag. Am Anfang einfach jeden Tag kosten bis man weiß, was einem schmeckt. Länger als drei Tage würde ich aber nicht empfehlen, dann geht der Geschmack langsam Richtung Käse…

Welche Milch?
Kefir liebt fette Milch. Abgesehen davon kommt es ganz auf Deinen Milch Geschmack an. Ich verwende oft Haltbar Milch, einfach weil es praktisch ist gleich Milch auf Vorrat zu kaufen. Eine Freundin von mir liebt es mit fettarmer Milch – geht auch. Die Experimentierfreudigen können ja auch mal Rohmilch ausprobieren, das schmeckt köstlich aber ein wenig intensiver, irgendwie Käsiger. Ziegenmilch geht auch gut, Schafsmilch sicher auch, habe ich aber noch nie probiert.
Es funktioniert auch Milchkefir mit Pflanzenmilch zu machen, wie Kokosmilch, Sojamilch, Mandelmilch… Allerdings muss man zu Pflege an den Kefir wenigstens alles zwei Wochen mal an „normale“ Milch ranlassen, sonst stirbt der SCOBY wahrscheinlich ganz langsam ab.

Kefir – Milch Mengenverhältnis:
In der Literatur wird zumeist zu einem fünfprozentigen Anteil von Kefirkörnern im Ansatz geraten. D.h. bei 1 L Milch ca. 50g Milchkefir. Dazu Sandor Katz:  „Eine Gruppe argentinischer Wissenschaftler experimentierte mit Kefirkörnern in Milch in anderen Verhältnissen und stellte gravierende Unterschiede im daraus resultierenden Kefir fest. Eine einprozentige Impfung hatte ein „dickflüssiges und nicht sehr saures“ Produkt zur Folge, während eine zehnprozentige Impfung „ein saures Getränk mit geringer Dichte und sprudelnderem Geschmack“ ergab.“ (Graciela L. Garrote u.a. „Characteristics of Kefir Prepared with Different Grain: Milk Ratios“, Journal of Dairy Resarch 65: 149 (1998))
Seine Empfehlung ist deshalb: Anteil SCOBY zu Milch, alles von 5 – 10%!

Allgemein – Tipps und Tricks:
Milchkefirkörner oder andere SCOBY’s hält man sich wie Haustiere. Man muss sie füttern und zwar regelmässig, sonst sterben sie. Das heisst man muss sich für den Gebrauch eine Art Routine aufbauen. Ich mache momentan immer ca. einen halben Liter alle zwei Tage. Das passt genau für mich. Die Körner verdoppeln sich alle zwei Wochen, ungefähr. Die Überproduktion kann man trocknen oder einfrieren und später versuchen sie wieder zu aktivieren. Man kann die Kefir Fermentation im Kühlschrank verlangsamen. Dann braucht man sie nur einmal in der Woche „füttern“. Das sollte man aber nicht länger als drei Wochen am Stück machen. Wenn man länger weg ist, kann man sie ja auch zu jemanden in Pflege geben.

Milchkefir Kefir Freiwillig aufgesprungener Granatapfel
Milchkefir Kefir Freiwillig aufgesprungener Granatapfel

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Uova in Purgatorio – Eier im Fegefeuer – essbare Poesie

Eier im Fegefeuer - Pochierte Eier, gefangen zwischen Himmel und Hölle, weiß wie die Unschuld und sanft eingebettet in blutroter Tomatensauce. Ein Gericht wie entsprungen aus Dantes Göttlicher Komödie, Teil II – so viel Dramatik und Poesie in Namen und Geschmack, da denk ich gleich: a. italienische Oper oder b. Essen aus Süditalien (eh die einzige Steigerung, quasi).
Eier im Fegefeuer

Pochierte Eier, gefangen zwischen Himmel und Hölle, weiß wie die Unschuld und sanft eingebettet in blutroter Tomatensauce. Ein Gericht wie entsprungen aus Dantes Göttlicher Komödie, Teil II – so viel Dramatik und Poesie in Namen und Geschmack, da denk ich gleich: a.italienische Oper oder b. Essen aus Süditalien (eh die einzige Steigerung, quasi). Dieses Gericht ist mancherorts auch bekannt als Schakshuka.

Genauer kommen die „Uova in Purgatorio“ aus Neapel. Die Region Kampanien ist Geburtsort vieler unglaublich cooler Gerichte. Vielleicht liegt es am spannenden Untergrund zwischen Vesuv und Phlegräischen Feldern, Europas fast wieder aktivem Supervulkan. Die Pizza wurde hier erfunden, der Limoncello sowieso. Die San-Marzano-Tomate wächst wieder hier, und außerdem: Artischocken, Broccoli, Cime di rapa, eine Stängelkohlsorte, die typisch kampanischen Friarielli, ein zart bitteres Blattgemüse, Spargel, Paprika, Auberginen, Zucchini, jede Art von Salat, Kohl et cetera. Campania felix, wie die Italiener*innen sagen. Aber Italien und gutes Essen, das ist ja eh wie Al Bano und Romina Power. 

Eier im Fegefeuer haben eine sehr breite Herkunft, um nicht zu sagen: Sie sind ein Mittelmeerprojekt. Schakschuka gilt als israelische Nationalgericht, ist aber auch in der nordafrikanischen Küche sehr verbreitet. Als Schakschuka wird es mit Kreuzkümmel, Kardamom und Zimt gewürzt. Mit Harissa isst man es auf Marokkanisch. In der Türkei existiert etwas Ähnliches als Menemen, und in Spanien als Pisto. In der Südsteiermark kennen wir etwas Verwandtes als Letscho, das wiederum auch ungarische Wurzeln hat. Zeigt sich wieder mal das Prinzip: Wenn was so richtig herrlich gut schmeckt, kommt es aus vielen Ecken. Nicht nur wir in Europa haben mit steter Vermischung diese Art der Fusion befeuert, wir teilen dieses kulinarische Erbe auch mit Nordafrika und dem Mittleren Osten.

Für dieses Gericht gilt die einfache Logik: Paradeisersauce[1] kochen und mit Gewürzen bestimmen, in welches Land rund ums Mittelmeer man seinen Magen auf Urlaub schickt. Diese Reise geht nach nach Italien:

Zutaten:
• 4 TL Olivenöl
• 6 Knoblauchzehen (optional 1- 2 Honigknoblauchzehen)
• 4 Sardellen, grob zerkleinert
• 2 TL Kapern
• Schwarze & grüne Oliven, eine Handvoll, aufgeschnitten
• Rote und gelbe Kirschparadeiser, jeweils eine Handvoll (optional)
• 2 Dosen (San-Marzano) oder etwa 800 g frische Paradeiser
• 2 TL frischer Oregano oder 1 TL getrockneter Oregano
• 40 g Parmesan, gerieben
• 1 Bund Basilikum
• Salz, Pfeffer
• Chili (optional)

Zubereitung:
• Knoblauchzehen (und Honigknoblauchzehen) sanft mit Olivenöl andünsten, Sardellen dazugeben, rühren, bis die Sardellen zerfallen und der Knoblauch duftet. Dann die Oliven, Kapern, Kirschparadeiser, Oregano (und Chili) dazugeben. Puttanesca-Gewürzbasis fertig.
• Wer frische Paradeiser hat, diese grob klein schneiden, Dosenparadeiser einfach so dazuleeren. Mit Salz abschmecken und 10 Minuten köcheln lassen.  Basilikum dazugeben, ein paar Blätter zur Dekoration zurückbehalten. Zum Schluss Parmesan unterrühren. Die frischen Paradeiser dauern etwas länger, es soll eine kompakte Sauce werden. Backofen auf 190 Grad vorheizen.
• Ei in einen Schöpfer aufschlagen, mit dem Schöpfer sanft ein Mulde in die Sauce drücken und das Ei reinflutschen lassen. Mit den restlichen drei Eiern wiederholen. Deckel auf die Form geben und für 8  bis 10 Minuten backen, die Dotter sollen noch weich sein.
• Basilikum dekorativ darüber schmeißen. 
In der Form auf den Tisch stellen und gemeinsam mit Brot daraus tunken. 

Tipp: Ich wollte meine Jenaer-Glas-Auflaufform nicht auf die Gasflamme stellen, aber man kann das Ganze auch nur in einer Form machen. 

[1] hier alla puttanesca, also auf gut Italienisch: nach Hurenart

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