In Österreich gibt es, wie ich immer mehr entdecke, einige schöne alte Traditionen des Einlegens, Sauermachens und Fermentierens, aber ein Ferment überstrahlt natürlich alle anderen: das Sauerkraut.
Ein nationales Heiligtum sozusagen. Üblicherweise gilt Sauerkraut vielerorts als das deutsche Nationalgericht. Was auch nicht ganz unrichtig ist, aber halt eher mit der Betonung auf unrichtig. Den eigentlich kommt es aus China, war schon im antiken Griechenland bekannt, war ein fixer Bestandteil der jüdischen und osteuropäischen Küche, hat sich in der USA verbreitet und so weiter…
Das älteste Super-Food
Sauerkraut ist ernährungsgeschichtlich ein wichtiger Eckstein, auf dem vieles und viele sich gestützt haben. Die meisten wissen wahrscheinlich um die Bedeutung des Sauerkrauts in der Geschichte der Seefahrt, nicht ganz so bekannt: Es war auch unersetzlich in der Geschichte der Kriegsführung. Und fast schon ganz vergessen ist, wie wichtig es in der Historie der einfachen Bevölkerung und Bauern war, um über den Winter zu kommen.
Fermentiertes Kraut war einfach das Arme-Leute-Essen in der kalten Jahreszeit. Und das trifft doppelt zu in so schwer zu bewirtschaftenden Gebieten wie den Alpen, in kargen ländlichen Gegenden oder für Leute, die sich sonst kaum etwas leisten konnten, nichts, außer halt ein paar Krauthäuptel.
In allen drei Fällen bot Sauerkraut viele Vorteile: Kraut ist eine robuste Pflanze und wächst auf fast allen Böden, auch in sehr rauen Klimata und auf bis zu 1.000 Meter Seehöhe. Sauerkraut ist einfach, günstig und unkompliziert herzustellen. Es ist ein Gericht mit nur zwei Zutaten. Kraut und Salz. Theoretisch könnte man sogar auf Salz verzichten, praktisch macht es die Herstellung aber einfacher und sicherer. Man kann es unkompliziert und extrem lange lagern. Aber der allergrößte Benefit für mich ist: es schmeckt einfach köstlich!
Was steckt alles in Sauerkraut?
• Eine Portion, also so 200 Gramm Sauerkraut, deckt die Hälfte des Tagesbedarfs an Vitamin C (deshalb unverzichtbar in der Seefahrt, Kriegsführung und um spärliche Winter zu überleben).
• Sauerkraut besteht bis zu 90 Prozent aus Wasser, es ist sehr fettarm und enthält außerdem noch sehr viele Mineralstoffe wie Natrium und Kalium.
• Es wirkt regulierend auf den Darm und ist deshalb ein altes Hausmittel gegen Verstopfung.
• Es ist ein natürliches Probiotikum. Also so was wie ein Wellness-Programm für die Darmbakterien.
• Durch die vielen Milchsäurebakterien und Ballaststoffe hilft es beim Entschlacken.
• Was noch nicht ganz bewiesen ist, aber immer wieder zum Thema wird: die sekundären Pflanzenstoffe des Sauerkrauts. Dr. Katharina Phillipp von der Abteilung Ernährungsmedizin an der Medizinischen Universität Wien dazu: „Sie haben ein großes Potenzial, anti-kanzerogen zu wirken.“ Wenn das stimmt, dann wäre etwas im Sauerkraut auch noch gut gegen Krebs.
Warum ich Sauerkraut gern selber mache
Neudeutsch würde ich es ja einfach SUPER-Food nennen! Oder noch besser auf den Punkt gebracht: Sauerkraut macht sexy!
Das alles gilt natürlich nur, wenn man nicht pasteurisiertes Sauerkraut isst, und darum ist Sauerkraut-Selbermachen die beste Idee. Und eigentlich auch gar nicht sehr schwer. Ich mag es gern, immer ein wenig Abwechslung zu haben, auch beim Sauerkraut, und deshalb habe ich mir angewöhnt, gleich mehrere Sorten zu machen, wenn ich schon mal dabei bin. Vier meiner liebsten Sauerkrautarten stelle ich nun hier vor: Sauerkraut klassisch, so wie es meine steirische Oma gemacht hat, goldenes Kurkuma-Sauerkraut, etwas poppiger das Za’atarkraut, und auch Rotkraut kann man köstlich verkrauten, also Rotes Sauerkraut oder Ruby-Kraut.
Equipment:
Vier 1-l-Gläser (folgende Gläser sind fermentiergeeignet: Gläser mit Bügelverschluss, Rex- bzw. Weckgläser mit Klammern oder Gläser mit Gärspund), Gemüsehobel (Krauthobel, Japanische Mandoline, Reibeisen) oder scharfes Messer und idealerweise 4 Gewichte
Zutaten (für vier 1-l-Gläser):
Sauerkraut, klassisch: 1 Krautkopf (circa 1 kg), 20 g unraffiniertes Salz, 2 TL Kümmel, ½ TL Wacholderbeeren, 2 Lorbeerblätter, ½ TL gelbe Senfkörner, optional eine halbe Quitte, optional 1 EL Maiskörndln
Gold-Kraut: 1 Krautkopf (circa 800 g), 20 g unraffiniertes Salz, 200 g Karotten, 30 g Ingwer, 1 TL Kurkumapulver, 1/2 TL Dillsamen, 1/2 TL Selleriesamen
Za’atarkraut: 1 Krautkopf (circa 1 kg), 20 g unraffiniertes Salz, 1 roter Zwiebel, 2 Knoblauchzehen, 2 TL Za’atar-Gwürzmischung
Ruby-Kraut: 1 Rotkrautkopf (circa 1 kg), 20 g unraffiniertes Salz, 2 Lorbeerblätter, ½ TL Senfkörner, 1 TL Pimentkörner, 1 TL Pfefferkörner, optional eine halbe Quitte.
Zubereitung:
• Die äußeren Blätter der Krauthäuptel entfernen. Für jedes Glas zwei bis drei Blätter für später aufheben. All Krautköpfe vierteln, den Strunk herausschneiden, mit einer Reibe hobeln oder mit einem Messer fein schneiden. Rotes und weißes Kraut in extra Schüsseln geben.
• Salzen. In die Schüssel mit dem Weißkraut (3 kg) kommen 60 g Salz. In die Schüssel mit dem Rotkraut (1 kg) kommen 20 g Salz. Alles gut vermischen, am besten auch schon mal leicht durchkneten. Für eine Stunde abgedeckt stehen lassen. In der Zeit hat das Kraut Zeit, Salz zu ziehen und weicher zu werden, das spart spätere, harte Knetarbeit.
• Möglichkeit 1: Das gesalzene Kraut portionsweise drücken, kneten und stampfen, was das Zeug hält. Das ist sehr anstrengend und dauert. Nicht aufgeben, das ist ein langerprobtes Workout! Wenn sich genug Flüssigkeit gebildet hat, das Kraut in die vier Gläser aufteilen.
• Möglichkeit 2: Wer mutig (oder wie ich bequem) ist und einen passenden Bottich hat, gibt das Kraut dort rein und stampft Barfuß darauf rum, bis es genug Wasser lässt. Natürlich das Weiß- und Rotkraut extra befußeln.
“Aus der Steiermark kenne ich die schöne alte Geschichte, dass ganze Familien sich eine Woche vor dem Sauerkrautmachen nicht die Füße gewaschen haben, weil es angeblich die besten Bakterien fürs Kraut sind. Das ist für meinen Geschmack eher zu traditionell und deshalb tu ich vorher immer schön die Füße schrubben.“
• Dann die aufgehobenen Krautblätter gut waschen, passend für die Gläser in Form schneiden und je nach Farbe oben auf das Kraut legen, gut andrücken, bis die Flüssigkeit über den Blättern steht.
• Bei jedem Glas extra kontrollieren, dass die Flüssigkeit über dem Gärgut steht! Das ist wichtig, denn unter der Lake ist alles geschützt. Es soll keine Ecke rausstehen und auch nix obenauf schwimmen. Dafür gibt es einen englischen Merksatz: „Under the brine is fine!“
• Wer jetzt merkt: zu wenig Flüssigkeit … Keine Panik! Einfach eine 2%-Salzwasserlösung anrühren und damit auffüllen. Glasrand gut reinigen. Wer hat, das Kraut mit einem Gewicht beschweren. Glas schließen. Bei Zimmertemperatur stehen lassen. Fertig. Theoretisch, denn…
• Jetzt kommt der schwierigste Teil: jetzt muss man warten.
Ich mag Sauerkraut gern nach so vier bis sechs Wochen. Das Kraut fängt schon nach zwei bis drei Tagen an, sich zu verändern, es blubbert, Bläschen steigen auf, wer zu viel Gärgut eingefüllt hat dem geht es über … da tut sich allerhand. Aber bitte warten.
• Im Hochsommer gebe ich das Sauerkraut manchmal schon nach drei Woche an einen kühleren Ort, durch die höhere Temperatur fermentiert es einfach schneller. Der kühle Ort ist bei mir der Kühlschrank, wer einen Keller hat (Gratulation!), der geht natürlich auch.
Tipp: Beim Warten sollte man die Flüssigkeit an der Oberfläche immer gut beobachten, also eine perfekte innere Mischung zwischen Beobachten und Vergessen finden. Manchmal entsteht Kahmhefe, das ist nix Schlimmes, auch nicht gefährlich, kann sich aber auf den Geschmack auswirken. Vorsichtig und mit supersauberem Besteck oder Sieb abschöpfen und das betreffende Ferment schnell verbrauchen. Bei Schimmel einfach alles entsorgen. Das kommt aber kaum vor.
Wer nicht weiß, wie der Unterschied zwischen Schimmel und Kahmhefe ausschaut, die Oma fragen fragen oder ausführlich im Internet recherchieren, da gibt es viele Seiten, die es erklären und auch Fotos zum Vergleichen haben.
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www.facebook.com/DerNeueGranatapfel/
Fermentier Fragen? Ich habe auf Facebook eine Fermentier Gruppe, dort werden Ideen, Rezepte oder auch Fehlschläge ausgetauscht und es gibt eine Kulturentauschliste (Kefir, Kombucha, Sauerteig) und ich beantworte gerne deine Fragen. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen zum mitmachen oder auch nur mitlesen!
Die Gruppe heißt: Der diskrete Charme des Fermentierens
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Dieses Rezept war beim AFBA 2018 in der Kategorie “Kreativ Einkochen” eines der nominierten Rezepte.
16 Kommentare
Hallo Ella,
ich habe eine Frage: warum knetet man beim Sauerkraut (mit Händen oder Füßen 😉 )und übergießt es nicht einfach mit Salzlake?
LG Axl
Hallo Axl,
gute Frage! Da gibt es mehrere Gründe: zuerst mal werden beim Kneten vom Kraut die Zellwände aufgebrochen und der Zucker (Kohlenhydrate) aus dem Zellineren wird Teil der Lake und ist leichtes Bakterienfutter. Dadurch kommt die Wilde Fermentation schneller in Gang. Das ist sozusagen ein “Fermentier-Booster”. Kraut kann das.
Ich probier zu Verständlichkeit die Frage mal anders zu formulieren: Warum erknetet man keine Lake bei Karotten? Weil das eben nicht funktionieren würde (zu wenig Flüssigkeit, außerdem mögen wir die Karottensticks knackig und nicht matschig). Aber Kraut hat genügend “Eigenflüssigkeit”und wir essen es gerne weich.
Ich hoffe das beantwortet Deine Frage,
ganz liebe Grüße, Ella
Vielen Dank für die ausführliche Erklärung und Sauerkrautgeschichte! Ich habe schon einmal Sauerkraut hergestellt, allerdings nur aus Kohl und Salz. Deswegen finde ich deine Anregung mit den Gewürzen sehr gut! Werde glaub ich das Gold-Kraut mal ausprobieren!
LG, Herbert
Lieber Herbert,
mach das! Meine Mutter ist mit klassischen Sauerkraut aufgewachsen, inzwischen liebt sie das Gold-Kraut! Versuch auch mal das mit Zatar (Gewürzmischung), dieses Gewürz ist bei uns eventuell nicht so bekannt, schmeckt aber sowas von genial in Sauerkraut!
Liebe Grüße, Ella
Hallo Ella, ich habe mein Sauerkraut im Weckglas mit Bügelverschluss und Gummiring am Sonntag angesetzt und heute den Bügel kurz zum Entlüften geöffnet. Dabei zischte es ordentlich und Bläschen sowie Kraut hat sich trotz Blattabdeckung nach oben bewegt. Auch hat sich über der Beschwerung etwas Schaum gebildet. Was tun? Viele Grüße, Monika
Liebe Monika, wenn es zischt und blubbert heisst das, dass es voll am fermentieren ist. Auch das sich etwas Schaum bildet ist ganz normal und unbedenklich. 🙂 Also alles richtig gemacht. Für das nächste mal: wenn du Bügelgläser verwendest dann musst du nicht entlüften. Bügelgläser entlüften von selbst, deshalb sind sie so beliebt bei Fermentierer*innen! Wenn die Fermentation in Gang kommt, ist immer weniger Sauerstoff im Glas, diese ganz besondere “Atmosphäre” ist genau das was wir im Glas erzeugen wollen und sie schützt das Fermentiergut gegen Schimmel und Kahmhefe. 🙂
Liebe Grüße Ella
Hallo Ela,
ich bin voll motiviert und starte meine Premiere bezüglich Fermentieren mit deinen Sauerkrautrezepten. Zwei Fragen dazu:
1.: werden die Bügelgläser zum Fermentieren mit dem Gummiring verschlossen oder ohne?
2.: werden beim Goldkraut die Karotten und der Ingwer mit eingesalzen am Anfang?
Herzliche Grüße und vielen Dank!
Hallo liebe Nicole,
voll super das Du so motiviert bist, immer voll schön zu hören! 🙂
Zu Deinen Fragen:
Zu 1.: Ja unbedingt den Gummiring reingeben beim Verschließen! Dadurch kommt kein Sauerstoff mehr ins Glas, aber es kann noch Luft raus und genau das wollen wir.:)
Zu 2.: Ich salze immer das Kraut ein und knete es ganz, ganz lange durch, damit ganz viel Saft entsteht und dann erst gebe ich die Karotten und den Ingwer dazu. Weil bei den Karotten mag ich es wenn es noch leicht knackig ist, aber das Kraut soll ja weich werden. 🙂
Ich hoffe das hilft und ich wünsche Dir viel Freude beim Sauerkraut machen!
Liebe Grüße, Ella
Vielen herzlichen Dank! Die Gläser sind befüllt! Und ich gespannt!
Juhuu! 🙂
Hallo,
kann ich das Sauerkraut auch in normalen Marmeladengläsern machen?
Manche machen das wohl…🤔
hab gerade keine passenden Gläser da.
Es war übrigens mega lecker, letztes Mal😍.
Hallo, darf das Beschwergewicht aus der Lake rausgucken?
Liebe Grüße Michaela
Hallo Michaela,
das Beschwergewicht soll unter der Lake sein. Alles was unter der Lake ist ist sicher. Wenn etwas durch die Lake “durchsticht” gibt es immer ein höheres Kahmhefe bzw. Schimmelrisiko. Es gibt einen englischen Merksatz: Under the brine is fine! 🙂
Also in etwa: Unter der Lake ist super.
Liebe Grüße
Ella
super, Dankeschön!
Über die Geschichte von den ungewaschenen Füßen habe ich jetzt laut gelacht — hervorragend!
Besonders fasziniert bin ich aber von der Zugabe der Quitte; ist das auch alte steirische Tradition? (Ich habe zwar einige Jahre in Graz gelebt, aber offensichtlich nie genügend krautmachende Omis gekannt…) Ich frage, weil ich die Birne im Kimchi immer besonders toll finde (und auch gerne schon mal einfach die doppelte Menge davon hineinschmuggele, oder einen Apfel dazu, oder, oder), und weil ich das von Sauerkraut einfach noch nie gehört habe. Finde ich aber toll!
Aber bevor ich das Krautrezept ausprobiere, mache ich jetzt erstmal eingelegte Eier mit Kimchi-Saft, davon habe ich nämlich gerade recht viel übrig… 😀
Hallo Yeti,
freut mich, freut mich. Die Apfel-Quitten waren jedenfalls in der Südsteiermark eine wichtige Zutat. Sie geben einen feinen Geschmack, der das Kraut noch besser macht. Auch super für’s Sarma-Kraut.
Schönes Fermentieren & liebe Grüße,
Ella