Rutsch mit Kugel – Neuer Nudelgenuss mit alter Tradition

Nudel-Kugel: Fermentierte Tomaten treffen auf pikanten Nudelauflauf mit Spinat

Frohes Rosch Haschanah! Ab 29. September feiert man heuer im jüdischen Jahreszyklus das neue Jahr. Nur, „Frohes Rosch Haschanah!“ sagt man so nicht. Der richtige Glückwunsch lautet: „שנה טובה ומתוקה – schanah towah umetukah“‚ wörtlich übersetzt: Ein gutes und süßes Neujahr! Also ein sehr kulinarischer Gruß. Vielleicht haben trotzdem einige „Frohes (oder gutes) Rosh Haschanah“ verwendet, sodass aus ihm mit der Zeit unser beliebter Wunsch zum neuen Jahr: „Guten Rutsch!“ wurde. Das schreibt zumindest Siegmund A. Wolf in seinem „Wörterbuch des Rotwelschen – Deutsche Gaunersprache“. Ganz sinnlos wäre diese Verballhornung nicht, denn irgendwie müssen wir ja vom alten ins neue Jahr kommen.

Warum ich als „Schickse“ (nichtjüdische Frau) Rosch Haschanah mit einem Kugel ehre, ist leicht erklärt: Ich lebe in Wien auf der „Mazzesinsel“. So nennt man im Wiener Slang das jüdische Viertel, den 2. und 20. Bezirk, zwischen Donau und Donaukanal. In meiner Nachbarschaft bin ich auf dieses köstliche Gericht gestoßen: Nudel-Kugel, eine ehrwürdige Tradition in der Küche der Aschkenasim, der Juden Mittel-, Nord- und Osteuropas. Der Name wie der Geschmack haben mich sofort begeistert. Kugel ist eine sehr wandlungsfähige Speise, man kann sie pikant als Beilage essen oder als Hauptspeise mit Salat oder sogar als Dessert.

Der Nudel-Kugel, auch Lokschenkugel genannt, ist ein Nudelauflauf, den schon Heinrich Heine überaus geliebt und ihn als „heiliges Nationalgericht“ der Juden beschrieben haben soll. Welche Version der Dichter besonders schätzte, ist mir unbekannt. Pikanter Kugel kann nämlich auch auf Kartoffelbasis gemacht oder mit Kraut, Karotten, Zucchini, Spinat oder Käse verfeinert werden. Dieses Rezept gehört zu meiner Kategorie „Kochen mit Fermenten“ – denn was nützen die besten Fermente, wenn man nicht weiß, was man damit Köstliches machen kann. In diesem Kugel sind zwei Fermente wichtig, die ich Ihnen schon [zum Selbermachen] vorgestellt habe: fermentierte Tomaten und Joghurt. Natürlich passen auch die “homemade” Nudeln hierher, aber das ist Geschmackssache.

Zutaten
• 400 g Eiernudeln
• 40 g Butter
• 300 g Tiefkühlspinat (am besten als „Zwutschkerln“)
• 100 ml Gemüsesuppe
• 1 Zwiebel
• 20 fermentierte Cocktailtomaten
• 1 Packung Frischkäse
• 3 Eier
• 450 ml Joghurt
• 250 ml Milch
• 200 g Käse (z.B. Gouda)
• 1 Knoblauchzehe
• Salz, Pfeffer, Öl

Equipment
• Gugelhupfform 2,5 Liter/ 24 cm Durchmesser

Zubereitung 
Für Kugel bevorzuge ich Bandnudeln, es geht aber mit jeder Art von Eiernudeln. Die Nudeln in viel Wasser kochen, man rechnet einen Liter Wasser pro 100 Gramm Nudeln. Ausreichend salzen, da gilt die Faustregel: 1 EL Salz pro Liter Wasser. Die Nudeln sollten extra „al dente“ sein. Meine Kochzeit war fünf Minuten. Wasser abgießen, 5 EL vom Nudelwasser zurückbehalten, mit 40 g Butter vermischen, auf die abgetropften Nudeln geben und gut unterheben. Das ist bei klassischen Nudelgerichten verpönt, hier aber wichtig, damit sie nicht zusammenkleben. Nudeln beiseite stellen und abkühlen lassen.
 
Tiefkühlspinat-Zwutschkerln in einen Topf geben und mit der Suppe aufgießen. Salzen, auftauen und köcheln lassen. Zwiebel klein schneiden und in einer Pfanne anrösten, bis sie karamellbraun ist. Wenn die Flüssigkeit mit dem Spinat ganz verkocht ist, zur Zwiebel geben. Vom Herd nehmen und die fermentierten Tomaten dazumischen. Alles auskühlen lassen. Bis hierher kann man das auch schon am Vorabend machen.

Backrohr auf 180 Grad vorheizen. Form einfetten und bemehlen.

Für den Eierguss oder Eierkäse: Eier, Joghurt, Frischkäse und Milch verquirlen. Eine Knoblauchzehe klein geschnitten oder gepresst hinzufügen, mit Salz und Pfeffer würzen.

Kalte Nudeln, Gemüse und geriebenen Käse vermischen und vorsichtig in die Gugelhupfform einfüllen. Eierkäse darübergießen. Mit Alufolie abdecken, wenn die Form keinen Deckel hat. Die Masse wird nun 40 Minuten lang mit und 10 bis 20 Minuten ohne Alufolie oder Deckel gebacken, bis man eine schöne braune Kruste obendrauf hat. Zehn Minuten abkühlen lassen und dann vorsichtig auf eine Platte stürzen.

Diesen Nudel-Kugel isst man am besten mit einem Salat, zum Beispiel einem knackigen Jerusalemsalat. Wie man einen süßen Kugel macht, können Sie hier nachlesen: Süßer Nudel-Kugel mit Ziegenkäse und Amarenakirschen.

Ein gutes und süßes Neujahr!

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Nudeln selber machen mit Sauerteig

Die Geschichte wie die Nudel zu ihrem Namen kam ist eine richtige Alpensaga.

Nudeln oder Pasta zu machen ist eines der lustigsten Dinge, die man in der Küche tun kann, zumindest wenn es ums Kochen geht. Das Kneten, das Rollen, das Formen, das Schneiden und Biegen, das Walgen und Füllen, die unzähligen Formen, die es gibt, die vielen verschiedenen Kulturen, die alle eigene Arten von Nudeln haben. Wenn es um Pasta geht, beobachte ich an mir deutliche Fangirl-Symptome.

So umwerfend die Nudel als Speise auch ist, ebenbürtig spannend ist die Geschichte, wie die Nudel zu ihrem Namen kam: Nudel ist wahrscheinlich ein grödnerisches Lehnwort im Deutschen. Das Südtiroler Eisacktal ist die einzige Stelle, an der sich das Grödnerische, also Ladinische, mit dem Tirolerischen trifft. Genauer steht das im Buch von Johannes Kramer: “Lateinisch-romanische Wortgeschichten: Herausgegeben von Michael Frings“. Das liest sich übrigens überraschend unterhaltsam.

Ein Erfolgsexport aus Südtirol
Es war anscheinend so, dass das Wort Nudel in seiner sprachgeschichtlichen Einordnung große Probleme aufgeworfen hat. In “Trübners Deutsches Wörterbuch” von 1943, einer Publikation mit nationalsozialistischem Hintergrund, steht zum Beispiel: “Der Ursprung der Wortes Nudel ist dunkel.”

1968 tappt die “Etymologie der neuhochdeutschen Sprache” weiter im Dunkeln: Die Herkunft des Wortes Nudel sei “unerklärt”. Die über Jahre gängigste Theorie, die auch jetzt noch im Wikipedia-Artikel zur Nudel (abgerufen: Mai 2019) zu lesen ist, lautet: Das Wort Nudel kommt vom Wort Knödel.

In Kramers Buch heißt es: “Rekapitulieren wir noch einmal den bis jetzt vermuteten Entwicklungsgang! Das deutsche Wort Nudel(n) legt den Verdacht nahe, fremden Ursprungs zu sein, weil es vorstufenlos und ohne einleuchtende Verankerung innerhalb der germanischen Idiome erst in der Mitte des 16. Jh.s auftaucht. Die europäischen Schriftsprachen bieten keine passenden Ausgangsformen, aber grödnerisch menùdli ‘Teigplättchen in der Suppe’ passt formal und semantisch. Es muss, wenn man dieses Etymon akzeptiert, angenommen werden, dass das Wort zunächst ins Tirolerische entlehnt wurde, wo es nudl ergab und dann von dort an andere bairische Dialekte und an die Schriftsprache weitervermittelt wurde.”

Das Wort erlebte einen sprachlichen Erfolgstrip, dass es schon fast an Tiroler-Nudel-Weltherrschaft grenzt: Englisch (noodle), Schwedisch (nudel), Tschechisch (nudle), Afrikaans (Noedel), Walisisch (nwdls), Dänisch (Nuler), Estnisch (Nuudel), Finnisch (Nuudeli), Isländisch (Núðlur) und sogar Esperanto (Nudelo) stammen möglicherweise alle vom südtirolerischen Wort ab.

Vom Namen zum Genuss
Ein bisschen Fermentation schadet auch der besten Nudel nicht, und sie gewinnt geschmacklich an Tiefe. Diesen Grundteig kann man für viele Nudelsorten verwenden, beispielsweise für Suppeneinlagen wie die grödnerischen Menùdli, Lasagneblätter, Tortellini, Bandnudeln, Cannelloni, Farfalle, wenn man den Hartweizengries mit Roggenmehl ersetzt als Schlutzkrapfen, oder je nachdem, nach was das passionierte Nudelherz gerade so begehrt.

Zutaten:
• 150 g Weizen- oder Dinkelmehl (mit niedriger Typenzahl, zum Beispiel W480 oder D630 oder 00 bei italienischem Mehl)
• 150 g Hartweizengries
• 150 g Sauerteig (vorbereitet)
• 3 Eier
• 1 TL Salz
• Optional: frische Basilikumblätter oder andere Kräuterblätter

Zubereitung:
• Hier können Sie nachlesen, wie man einen simplen Sauerteig macht: Roggensauerteig ansetzen: Eine einfache Anleitung
• Das Mehl, den Hartweizengries und das Salz gut vermischen und auf die Arbeitsplatte kippen. In die Mehlkegelspitze eine Einbuchtung formen, da kommen die Eier und der Sauerteig rein. Es gibt eine einfache Ei-Nudelteig-Faustregel: Auf 100 Gramm Mehl kommt ein Ei.
• Mit einer Gabel zuerst die Eier und den Sauerteig vermengen, dann langsam das Mehl einschlagen. Wenn die Masse schön dick ist, mit den Händen weiterarbeiten. Falls der Teig zu hart ist, etwas Wasser dazugeben, wenn er zu klebrig ist, mehr Mehl einarbeiten. So lange kneten, bis man einen schönen, seidig glänzenden Teig hat – circa zehn Minuten. Ja das ist anstrengend, einfach als Work-out betrachten, die Kalorien, die man hier verliert, schenken einem die Nudeln nach dem Verzehr nicht an Hüftgold zurück.
• Teig mindestens vier Stunden abgedeckt fermentieren lassen. Dafür braucht man keine Plastikfolie, die Teigkugel einfach auf einen Teller legen und eine Glasschüssel darüberstülpen. Ich mache den Teig meist am Vortag und lasse ihn über Nacht im Kühlschrank. Da kann man ihn bis zu vier Tage zwischenlagern und bekommt so höchstens nur noch mehr Geschmack. Vor der Weiterverarbeitung den Teig eine Stunde früher aus dem Frigidär nehmen und akklimatisieren lassen.
• Zum Teig ausrollen: Wer eine Nudelmaschine hat, Teig damit auf die gewünschte Dicke bringen. Ich habe keine und arbeite deshalb mit dem guten, alten Nudelwalker. Den Teig sehr dünn ausrollen und in die gewünschte Nudelform schneiden.
• Optional: Abgezupfte Basilikumblätter oder andere vorhandene Kräuterblätter auf einer Teighälfte verteilen. Wirklich nur die Blätter, auf keinen Fall die Stiele, sonst bricht der Teig später. Wenn die Blätter gut liegen, die eine Teighälfte auf die andere falten. Mit dem Nudelwalker wieder auf die Dicke von vorher bringen. Den Teig in die gewünschte Nudelform schneiden.
• Zum Nudelkochen gibt es auch eine gute Faustregel: Ein Liter Wasser pro 100 Gramm Nudeln und ein Esslöffel Salz pro Liter Wasser. Das Wasser soll nicht kochen, sondern nur leicht simmern. Darin werden die Nudeln portionsweise für circa eine Minute gekocht. Oder die Nudeln zum Trocknen aufhängen.

Der Teig in der Praxis
Zwei Rezepte die ich mit diesem Nudelteig zubereitet habe:
Schlutzkrapfen mit Sauerkraut-Birnen-Speck-Füllung auf Rote-Rüben-Sauce
5 Geheimnisse perfekter Lasagne – die richtigen Fermente

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Rezepte vor einem Jahr:
• Knoblauch in Honig fermentiert
• Eier im Fegefeuer – essbare Poesie
• Milchkefir oder „Milchchampagner“

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